von sebastian a. schimböck
•
19. Januar 2018
der als gewaltakt verstandene prozess, mitunter einer haltung zuzuordnenden geste, schreibt sich in den leib ein, wie wenn ich die kuppe meines rechten zeigefingers genuszvoll in ein butterbrot drücke, sodass sich die ränder des nun entstandenen loches leicht wölbend zusammenziehen, aber aus dem keineswegs mehr die absolut gleiche oberfläche hergestellt werden kann. niemals kann ich aus dem, was aus gewalt entstanden war, erneut eine absolut gleiche oberfläche herstellen. im bewusstsein dessen, was geschah, bleibt immer die erinnerung daran, was kauschiert wurde. es ist kontaminiert. ich lege mich also erdrückt in den spalt zwischen matratze und wand, der sich gleichsam meines eindringens vergröszert und die matratze sozusagen vom lattenrost schiebend entfernt. die kälte der wand mit der von unten aufsteigenden kälte verbunden verweile ich nun in einem continuum aus gewalt und exzession; zwischendurch vergesse ich, weswegen ich überhaupt hier bin. nicht meine existenz, sondern die eingenommene physische haltung bilden mich im raum ab, wodurch ich nochmals das continuum breche, dem ich mich entzweien werde. die kontaminierte oberfläche trägt sich ab und wird rau, ich bin der prozess des statischem bildes, das in seinem dasein verharren wollend dem gemälde entzogen werden soll. ich ziehe am bettlacken, welches sonst oftmals schon diesen spalt hier fühlen musste, nachdem die nächte kurz und die bewegungen stramm waren. ich verwandle mich in jene, die mich wärmen soll, doch gleiche ich ihr zu wenig, um die selben eigenschaften besitzen zu können. meine oberfläche ist nicht aus dem stoff, ich bin nicht mit daunen gefüllt, nein, sogar meine continuierliche neuerschaffung ist nicht von der selben anwendung. noch bevor ich das verstanden konnte, verstand ich mich bereits in einer anderen welt, die eine elende war. die existenz meiner selbst war nur soweit daran gebunden, dass ich die nachfrage nach dem herkunftsort jener nicht ertragen konnte. das schlieszen der augen war der einzige grund, der mich dazu nicht brachte. auf der anderen seite des bettes, die von der sich immer weiter entfernenden und den spalt immer gröszer werden lassenden matratze immer näher an das andere ende zimmers schob, winselte die stille vor sich hin und zog sich eine bluse an. ihre wunderschöne haltung deutet darauf hin, dass sie als kind immer auch zum kindersport ging, der ihr versprach, im späteren alter nicht an einem krummen rücken leiden zu müssen, oder auch nicht so einen katzenbuckel zu bekommen, einen hexenschuss, oder wie das meine großmutter sonst so nennen würde. ich untermale ihr bild noch mit dem roten stift, vielleicht ein oder zwei lidstriche an ihre noch nicht eingefallenen augen. sie strahlt voller existenz, ihr raum ist ruhig geworden, aber die welt trägt sie nicht mit sich. wir schweigen oft, wenn wir den nacherzählten lauschen wollen. aber die stille ist es, die uns dazu bringt, so zu sein, wie wir sein sollen. solange ich noch in diesem spalt verharren werde, wird sie es auch sein, denn jenes geräusch, dass hier noch umgeisternd mich umgibt, dringt nicht bis zu mir durch. oftmals schweige ich in mich hinein, fasse es als akt auf, den ich wähle, denn das schweigen kann nicht passieren, es muss passiert sein, um überhaupt ein schweigen sein zu können. nichtsdestotrotz halte ich es mit der stille, so wie vieles andere; lediglich ihre anwesenheit fällt unter meine akzeptanz. aber nicht nur, dass ich die stille ertrage, vielmehr ist es auch eine last, die ich mit mir tragen möchte. eine unerträgliche stille wird nur bedauert, wenn ich sie mit schweigen strafe. aber ich bestrafe nicht mehr, seit ich selbst ein bestrafter bin, mit dem wissen, das ich heute erlangt habe, fange ich nichts an. ich liege nur still da, fange mit mir nichts an, fange nichts ein, dass ich später im internet verkaufen könnt für ein oder zwei groschen. ich kann mich nicht mehr an mein letztes butterbrot erinnern, es war wohl vor einigen jahren und hat geschmeckt; ein dünnes brot und eine menge butter, sodass beim abbeiszen davon die abdrücke meiner zähne schön rund um den biss versammelt sind; dass ich sehe, ich bin ein raubtier und reisze mein brot jeden tag selbst. am wochenende ist die zeit, an der wir butterbrote essen, da haben wir die zeit und da arbeiten wir nicht; was soll es denn schöneres geben, als am wochenende butterbrote zu essen und das butterbrot auch noch selbst zu reiszen, da fühlen wir uns wieder frei von unseren lebensumständen. am abend zähle ich noch die butterbrote, die ich reiszen möchte, und die ich bereits gerissen habe. ich schärfe meine zähne; abends mit zahnbürste, zahnpasta und zahnseide und morgen nur mit zahnbürste und zahnpasta. mein zahnarzt meint, einmal am tag reicht und ja, er wisse, dass sich dies im laufe der zeit zu jeden zweiten tag und einmal die woche und einmal alle zwei wochen und einmal jedes monat und dann wieder erst vor dem nächsten kontrolltermin verschiebe; das regulatorium der zahnpraxis ist nicht deshalb so erfolgreich, da wir auf unsere körper acht geben, sondern weil wir die kontrolle verlangen, gegen die wir uns auflehnen. gefangene des panoptikums, ja so sagen wir dann zu anderen leuten »geh doch mal wieder zum zahnarzt, hast vielleicht zahnstein« oder »wann warst du denn zum letzten mal beim zahnarzt, weiszt, kontrollieren sollst du einmal im halben jahr« oder »vorsichtig musst bei den zähnen sein, das kann aufs herz gehen«. ja, das panopktikum als palast der kontrolle freut uns, denn im scheine der gesundheitsvorsorge wünschen wir uns doch nur das kontrollorgan zurück, dass unsere revolution bestärkt. und wenn dann der abdruck im butterbrot plötzlich anders aussieht, sehnen wir uns den kontrolltermin herbei. die stille ist ein regulatorium, wunderschön gekleidet in bunt-karierten blusen.